Zur Entstehungsgeschichte der Sprechmaschine und Schallplatte

Aus Festschrift der Carl Lindström AG, 1929 von Dr.-Ing. F.M. Feldhaus

Reizvolle Sagen erzählen uns aus alter Zeit, wie Leute, die der Geheimwissenschaft oder des Zauberns kundig waren, den flüchtigen Ton in Felsenhöhlen oder in gewundenen Gängen festzuhalten wußten.
Alte Schriften melden, daß berühmte Naturforscher sich sprechende Apparate bauten. Meist sind es metallene Köpfe, die eine Antwort gaben oder gar sprechen konnten. So wird von dem Erzbischof Gerbert, dem späteren Papst Sylvester II., berichtet, er habe ums Jahr 998 "auf Grund astrologischer Berechnungen" eine Figur hergestellt, deren Rat er zuweilen einholte; sie sprach nur, wenn man Fragen an sie richtete. Der große deutsche Gelehrte Albertus Magnus besaß angeblich ums Jahr 1265 in einer abgelegenen Werkstatt des Dominikanerklosters zu Köln eine geheimnisvolle Frauenfigur. Sie stand hinter einem Vorhang, den der Besucher zurückschlagen mußte. In diesem Augenblick redete die Figur den Besucher mit einem lateinischen Gruß an. Ein Schüler des Albertus soll diese Figur zerschlagen haben, weil sie ihm als Zauberei erschien. Solche sprechenden Figuren waren - das kann man auf Grund unserer heutigen Kenntnisse des Wissens jener Zeiten zuverlässig sagen - nichts anderes, als die Mündungen von Schall-Leitungen. Die Worte, die die Figur "sprach", kamen in Wirklichkeit von einem Menschen, der am anderen Ende der Leitung stand (Abb. 1).
Versuche dieser Art mußten dazu führen, daß man versuchte, Worte in solchen Leitungen aufzubewahren.
Porta, einer der geistvollsten Physiker Italiens, sagte im Jahre 1589: "Darüber hatte ich mir vorgenommen, die Wort in der Lufft (ehe sie gehöret werden) mit bleyernen Röhren aufzufangen / und so lange verschlossen fortzuschicken / daß endlich / wenn man das Loch aufmachte / die Worte herausfahren müssen. Denn wir sehen / daß der Schall eine Zeit braucht biss er fort kommt; und wenn er durch eine Röhre gehet / dass er mitten könne verhalten werden. Und weil es etwan darinnen was ungelegen fallen möchte / dass die Röhre sehr lang seyn müsste / so könte man die Röhren in die rundte Circkelweise krümmen / und also die Länge ersparen; und nur wenig Platz damit einnehmen."
Der große deutsche Astronom Johannes Kepler muß sich auf Grund irgendwelcher Experimente und Erwägungen überlegt haben, auf welche Weise man die menschliche Stimme aufbewahren. könne. Er berichtet im Jahre 1634 in einem seiner Bücher, man werde "einst Sprechmaschinen herstellen, aber sie werden einen schnarrenden Ton haben".

Abbildung 1. Drei sprechende Köpfe und ihre geheimen Schallzuleitungen nach dem Vorschlag des Jesuiten Kircher aus dem Jahre 1650

Solche, teils spekulativen, teils wissenschaftlichen Betrachtungen über Sprechmaschinen wertete der witzige französische Schriftsteller Savinien de Cyrano de Bergerac in seinem satyrisch-phantastischen Reiseroman "Sonderbare Geschichten der Staaten und Reiche des Mondes" aus. Cyrano erzählt in diesem, im Jahre 1656 erschienenen, vielgelesenen Buch, wie er zur Sonne emporsteigen wollte, schließlich aber nach allerhand Abenteuern mit Hilfe von Raketen - wie modern! - auf dem Mond landete. Dort traf er nicht nur einige der Propheten aus derBibel, sondern auch Menschen, die sich mit Hilfe technischer Erfindungen das Leben auf dem auf dem Monde höchst angenehm gestaltet hatten. So erfahren wir, daß die Bibliotheken auf dem Mond keine Bücher, sondern "kleine Kisten, die unseren Uhren gleichen", enthalten. Diese Kisten sind "voll von kleinen Federn und kaum wahrnehmbaren Maschinen ... Bücher, zu denen man, um daraus zu lernen, die Augen nicht nötig hat, sondern nur die Ohren. Wenn einer zu lesen wünscht, dann spannt er die Nerven der Maschine, dreht den Zeiger auf das Kapitel, das er hören möchte, und sofort kommen, wie aus dem Munde eines Menschen oder einem Musikinstrument deutlich und un terschieden alle Töne hervor. Eine Vorahnung des Sprechapparates. Ein Nürnberger Mechanikus, Franz Gründel, oder Gründle, muß von diesem rein literarischen Gedanken des Cyrano etwas gehört haben; denn es wird vor, ihm berichtet, daß er ums Jahr 1680 den Plan hatte, "etliche Worte als ein Echo durch eine spiral-Linie in eine Flasche zu verschließen / daß man sie wohl eine Stunde lang über Land tragen könne und wann man sie eröffne / die Worte erst gehöret werden / ob er aber dieses Concept zum Effect gebracht / ist mir unwissend . . ." Es würde hier zu weit führen, wollte ich von weiteren Phantasien und Projekten dieser Art sprechen. Keine dieser Ideen hatte praktische Folgen, aber wir dürfen doch nicht glauben, solche Gedanken und Erwägungen seien unnütz gewesen, haben sie doch den Wunsch zur Erbauung einer Sprechmaschine so lange lebendig gehalten, bis die exakte Wissenschaft das Wesen des Tones erkannte und so in der Lage war, Musik und Sprache in Maschinen aufzuzeichnen.
Die Untersuchungen der Antike über den Ton waren rein musikalischer Art, über die Entstehung und die Eigenschaften des Tones machte sich niemand Sorgen. Erst im Jahre 1624 wurde die erste Messung der Geschwindigkeit des Schalles an abgefeuerten Geschützen roh vorgenommen. Zwölf Jahre später stellte der französische Mathematiker Mersenne die Lehre von der Entstehung der Tonhöhe auf und zeigte darin, daß die Tonhöhe von der Schwingungsdauer des tönenden Körpers - oder, was dasselbe ist - von seiner Schwingungszahl abhängt. Die Töne sind um so höher, je größer ihre Schwingungszahl, oder um so niedriger, je kleiner ihre Schwingungsdauer ist.

Abbildung 2. Das Instrument von Kempelen zur Nachbildung der menschlichen Stimme. Rechts eine der künstlichen Lippen des Instrumentes. Vollendet 1778

Im Jahre 1688 stellt der Professor der Botanik an der Universität Helmstedt, Günther Christoph Schelhammer, den für die damalige Wissenschaft erstaunlichen Satz auf, jeder Ton entstehe durch wellenförmige Bewegung, durch Schallwellen. Auf diese Untersuchung baute der Pariser Mathematiker Joseph Sauveur Versuche auf, die im Jahre 1700 zur Begründung einer neuen Wissenschaft führten, die Sauveur "Akustik" nannte. Das Interesse an der Lehre vom Schall war bei Sauveur dadurch geweckt worden, daß er selbst bis zu seinem siebenten Lebensjahr vollkommen stumm war.
Nun folgten sich die Entdeckungen in der Akustik schnell, und mit der Ausgestaltung der experimentellen Untersuchungen kam man zu Mechanismen, die die menschliche Stimme einigermaßen wiederzugeben vermochten. Schon im Jahre 1761 schrieb der Berliner Mathemtiker Leonhard Euler: "Es wäre wohl eine der wichtigsten Entdeckungen, wenn man eine Maschine bauen könnte, welche imstande wäre, alle Klänge unserer Worte mit allen Artikulationen nachzuahmen ... Die Sache scheint mir nicht unmöglich".
Einigen Erfolg hatte Wolfgang von Kempelen zu Preßburg mit einer Maschine, die im Jahre 1778 fertig wurde. Sie glich, wie wir aus Abbildung 2 ersehen, einem Tasteninstrument, dessen Pedal Blasbälge in Bewegung setzte. Die Tasten führten durch Drahtzüge die Luft durch Ventile in besonders gestaltete Mundstücke. Diese waren den Lippen eines menschlichen Mundes nachgebildet und erzeugten so die einzelnen Töne. Man konnte diese Maschine also sprechen lassen. Die ganze wissenschaftliche Welt staunte über diese Neuerung, und die Akademie zu Petersburg stellte schon im nächsten Jahr die Preisaufgabe, wie man die menschliche Stimme mechanisch am besten nachzuahmen vermöge. Eine ganze Reihe von Vorschlägen liefen ein und zwischen die Gelehrten, die es ernst meinten, schlichen sich eine Reihe von Schreiern, die auf mehr oder weniger schwindelhafte Weise redende Maschinen vorführten. So trat ein Ingenieur Adam Gottfried Wetzel aus Bayreuth im Jahre 1788 mit einer Maschine auf, die konnte sprechen, Arien singen, Echo geben, Fragen und Rätsel auflösen, Schachbrett spielen, schreiben und Rechenaufgaben lösen. Mehr kann man wahrlich von einer Schaustellung nicht verlangen. Selbstverständlich beruhte die Maschine auf einer Täuschung. Sprechende Maschinen dieser Art wurden damals die Anziehungspunkte der neu aufkommenden "Physikalischen Theater". In Berlin lag dies Theater in der Behrenstraße, und man sah dort allabendlich die erstaunlichsten Vorführungen mit der Zauberlaterne, mit farbigem Licht und mit der Sprechmaschine. Die Bastler in der Mechanik, deren es damals verhältnismäßig ebenso viele gab, wie heute, bauten Sprechmaschinen nach. Von einer solchen, die ein Tischler namens Schreiber in Weimar zurechtgezimmert hatte, berichtet Goethe in einem Brief vom 12. Juni 1797.
Bald zeigte es sich, daß auf dem Wege der Tonerzeugung durch künstliche Lippen nicht weiter zu kommen sei. Deshalb ließen die Physiker das Problem der Sprechmaschine fallen. Schausteller aber traten nun um so lauter mit angeblich neuen Erfindungen hervor.
Zu Anfang des Jahres 1800 erregte in Paris die Ankündigung eines Arztes, namens Laurent, Aufsehen, der ein Kabinett ankündigte, darin eine "unsichtbare Frau" Rede und Antwort stehe. Man sah in dem engen Raum einen großen, leeren und durchsichtigen Glaskasten an Ketten hängend. Zwischen den Zuschauern und dem Kasten war ein Gitter gezogen. Auf die Fragen, die die Besucher stellten, gab eine schwache Frauenstimme Antwort. Wie dies zustande kam, war in Paris lange das Gespräch der Gesellschaft, die sich tagsüber zu der Schaustellung drängte. Erst später kam man dahinter, daß eine Sprechrohrleitung von dem Zimmer, darin eine Frau war, in einen der Balken des Gitters mündete, und daß die Stimme durch diese Leitung kam (Abb. 3).

Abbildung 3. La femme invisible, oder wie man 1800 eine Sprechmaschine vortäuschte.

Andere führten die "unsichtbare Stimme" aus einer frei an Drähten hängenden, mit Schalltrichtern versehenen Kugel vor. Aber auch diese Kugel samt den Trichtern war ablenkende Täuschung: die Stimme kam aus einem Nebenraum durch die Balken des Gestells, daran die Kugel hing. Eine andere Sprechmaschine, die damals Aufsehen erregte, war 1807 von dem Berliner Bildhauer Posch erbaut. Sie wurde später nach Paris verkauft, kam aber 1828 auf Veranlassung der Brüder Humboldt wieder nach Berlin zurück und gehörte lange zu den Sehenswürdigkeiten der Königlichen Kunstkammer. Seit der Auflösung dieser Sammlung ist die Maschine verschollen.
Wie unnütz, denkt mancher Leser heute, war all die Mühe, die man sich damals ernstlich mit Sprechmaschinen gab. Ich glaube darauf hinweisen zu dürfen, daß man die negativen Ereignisse der Geschichte der Technik nicht ohne weiteres negativ bewerten darf. Der fruchtbare, nicht zum Durchbruch kommende Gedanke, lebt still und bescheiden fort. Kann Großes durch ihn nicht erreicht werden, dann ist er in den Händen eines bescheidenen Menschen plötzlich zu etwas Kleinem recht nützlich. So wurde aus der langen Reihe der Sprechmaschinen jener Zeit im Jahre 1824 ein heute noch gebräuchlicher Apparat bescheiden geboren: der Sprechmechanismus der Puppen, Der Erfinder des Metronoms, Johann Maelzel, nahm am 31. Januar 1824 das französische Patent auf eine Puppe, die bei Bewegung der Arme entweder "papa" oder "maman" sagen konnte. Der letzte, der sich lange ernsthaft bemühte, mit Hilfe von Blasbälgen und passenden Mundstücken eine Sprechmaschine zu erbauen, war ein gewisser Joseph Faber, der aus Freiburg i.B. stammte. Vermutlich hatte er sich selbst den Titel eines Professors beigelegt, um seine untenstehend abgebildete Sprechmaschine, auf der er ganze Sätze sprechend und singend hervorbringen konnte, einem gläubigen Publikum in Schaustellungen besser vorführen zu können. Seit dem Jahre 1835 finden sich in den Zeitschriften eine Reihe von erstaunlichen Berichten über solche Vorstellungen von Faber (Abb. 4).

Abbildung 4. Prof. Faber führt 1846 eine mechanische sprechende Figur vor.

Kurz vor 1850 ging der Erfinder mit seiner Maschine nach Amerika. Dort endete er durch Selbstmord; was aus der Maschine geworden ist, konnte ich mit Sicherheit nicht feststellen.
Wie sehr man sich damals für "Sprechmaschinen" interessierte, beweist eine Einladungskarte des "Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes" zu Berlin aus dem Jahre 1843. Dort ist in einer Ecke die Figur eines mechanischen Sprechers zu sehen. Eine gedruckte Erklärung zu dem Bild sagt: "Wenn man die Figur in der Ecke rechts betrachtet, die eine Euphonia oder menschliche Sprechmaschine vorstellt, wie sie vielleicht künftig zur Bequemlichkeit von öffentlichen Rednern in Kammern, Stuben und Sälen angewendet werden dürfte. Die Figur steht auf einer Art von Tribüne und rechts und links wird ihr eingetrichtert, was sie sagen soll. Sie legt die Hand auf das Herz, denn bekanntlich greift der Mensch am liebsten nach dem, was er nicht hat, und öffnet den Mund soweit, weil sie offenbar die Öffentlichkeit im Munde hat." Noch im Jahre 1872 versuchte der später durch die Erfindung des Telephons weltberühmt gewordene Amerikaner Bell auf Veranlassung seines Vaters, einen Apparat zu bauen, der "mama" sagen und weinen konnte.
Im Physikalischen Laboratorium der Universität Halle wurde 1830 durch den jugendlichen Professor Wilhelm Eduard Weber ein Apparat konstruiert, der zum erstenmal Tonschwingungen aufzuzeichnen vermochte. Zehn Jahre später verbesserten Savart und Duhamel in Paris den Apparat in der Weise, daß die Schwingungen von Saiten oder Stimmgabeln auf eine sich langsam drehende und fortschreitende Walze, die mit Ruß überzogen war, sich aufzeichneten. Kurze Zeit vorher, im Jahre 1839 spricht ein englischer Dichter, der seinen Namen verschweigt, phantastisch von einem Lande der Erfindungen, wo man nicht nur die zu jener Zeit in Paris erfundene Photographie vielartig anwendet, sondern auch mittelst eines selbsttätigen Zeichnungspapiers in der Lage ist, "Gesprochenes aufzuschreiben und zu wiederholen". Dieser Dichter hatte also von den physikalischen Versuchen, Tonschwingungen auf rotierende Walzen aufzuzeichnen, gehört. Mutig tut er in der Phantasie mehr als wie Physiker zu tun wagten: er läßt beim Rückwärtslaufen der Walze aus den Tonaufzeichnungen einen Ton wieder erstehen. Wir haben hier einen der interessantesten Fälle, daß der Dichter dem Techniker um Jahrzehnte vorauseilt. Weit später findet sich die nachstehende Vorahnung einer Sprechmaschine:
Im Jahre 1872 sagt Miß Jean Ingelow in einer von ihr geschriebenen Geschichte "Neunzehnhundertzweiundsiebenzig": "Er begann etwas zu beschreiben, was offenbar eine große Erfindung in der Akustik betraf, und das, wie er sagte, schon in allernächster Zeit sich verwirklichen werde. Wissen Sie etwas von der Entstehung der Photographie? Ich konnte es bejahen. Photographie, bemerkte er, liefert ein sichtbares Bild; können Sie sich vielleicht etwas Analoges denken, das ein unsichtbares Bild gibt? Der wirkliche Unterschied besteht nur darin, daß das Ganze einer Photographie dem Auge jederzeit gegenwärtig ist, während es der Akustigraph nur in aufeinanderfolgenden Teilen vermittelt. Das Lied ward gesungen und die Symphonie gespielt, und er gab sie wieder und brachte sie unter gleichzeitigem entsetzlichen Lärm hervor. Dann, als wir die Idee nur erst einmal fest gefaßt hatten, fiel es der Wissenschaft nicht allzu schwer, das Bild gleichsam zu skizzieren und jetzt können wir es verlängern, so viel wir wollen."
Die an Zufällen und Schicksalen reiche Geschichte der Sprechmaschine brachte im Jahre 1877 zwei Erfinder getrennt auf den Plan, den einen in Amerika, den andern in Paris. Der Amerikaner, Thomas Alva Edison, hatte in seiner Jugend keine rechte Schulausbildung bekommen und war Zeitungsjunge geworden. Im Alter von 16 Jahren gab er eine eigene kleine Zeitung heraus, machte schlechte Geschäfte damit und fand eine Stellung bei der Telegraphie. Mit seinen ersten Ersparnissen begann er zu experimentieren und einige telegraphische Verbesserungen verschafften ihm ein kleines Betriebskapital. Edison war 30 Jahre alt, als er in dem genannten Jahr 1877 zwei bedeutsame Verbesserungen herausbrachte, die eine am Telephon, die andere in. seinem Phonographen (Abb. 5).

Abbildung 5. Das erste von Edison erbaute Modell des Phonographen. Diesem Apparat fehlt noch das Schwungrad. Man beachte, daß die Schalldose durchaus dem Telephon nachgebildet ist.

"Im Phonographen", schreibt Edison 1887 in einem Artikel für die "North American Review", "finden wir eine Illustration der Wahrheit, daß die menschliche Stimme durch die Gesetze der Zahl, Harmonie und des Rhythmus regiert wird. Und auf Grund dieser Gesetze ist es uns jetzt möglich, alle Arten von Tönen und alle artikulierten Äußerungen, selbst bis zu den feinsten Nuancierungen und Variationen der Stimme, wiederzugeben, aufgezeichnet in Linien oder Punkten, die der Bildung eines Tones durch die Lippen durchaus entsprechen, so daß wir durch diese Einrichtung in der Lage sind, den Klang der Stimme, der Musik und aller anderen Schallwellen, ob sie für den Menschen hörbar sind oder nicht, zu veröffentlichen. Denn es ist eine höchst bemerkenswerte Tatsache, daß, während der tiefste Ton, den unser Ohr aufzunehmen vermag, 16 Schwingungen in der Sekunde hervorbringt, der Phonograph nur 10 oder weniger ermittelt und dann auf eine Tonhöhe steigen kann, bis wir die Reproduktion von ihnen hören. Desgleichen kann der Phonograph von Schwingungen über der höchsten Grenze, die dem Ohr vernehmbar ist, berichten und durch Herabsetzung der Tonhöhe reproduzieren, so daß wir wirklich die Wiedergabe dieser sonst unhörbaren Schwingungen vernehmen."
"Um eine verständlichere Vorstellung von der Wiedergabe eines Tones zu geben, möchte ich fier nur einen oder zwei Punkte betonen. Alle sind wir von der Genauigkeit betroffen, mit der sogar die schwächsten Meereswellen auf den feinen Sand des Strandes die zarte wellige Linie eindrücken, welche die kräuselnde Grenze ihres Vordringens bildet. Fast ebenso bekannt ist die Tatsache, daß Sandkörner, die man auf die glatte Oberfläche von Glas oder Holz oder neben ein Piano streut, sich in verschiedene Linien oder Kurven sondern, entsprechend den Schwingungen der auf den Tasten des Pianos gespielten Töne. Diese Erscheinungen zeigen an, wie leicht die Einzelteilchen fester Gegenstände eine verschiedenartige Bewegung annehmen können, oder von leichten Wellen, Luftschwingungen oder Tonwellen einen Impuls erhalten. Und dennoch, so bekannt diese Naturerscheinungen auch waren, so führten sie doch erst seit einigen Jahren darauf, daß die von der menschlichen Stimme ausgehenden Schallwellen derartig geleitet werden können, daß sie auf irgendeinen festen Gegenstand einen Eindruck von solch mathematischer Bestimmtheit hervorrufen, wie es die Flut auf einem sandigen Strand mit ihren Figuren tut."
"Auf meine Entdeckung, daß dies alles möglich ist, bin ich fast durch Zufall gekommen, während ich mit Experimenten nach ganz andern Gesichtspunkten beschäftigt war. Ich hatte mir eine Maschine vorgenommen, die Morse-Buchstaben wiederholen sollte, welche auf das Papier durch eingedrückte Vertiefungen übertragen waren und die ihre Meldung nach einem anderen automatischen Stromkreis befördern sollte, wenn sie unter einen Schreibstift gebracht wurden, der mit einem Kontaktapparat verbunden war. Als ich mir an dieser Maschine zu schaffen machte, fand ich, daß, bei sehr schneller Umdrehung des mit dem Papierstreifen versehenen Zylinders, von den Vertiefungen ein summendes Geräusch ausging, - ein musikalischer rhythmischer Klang, der einem undeutlich gehörten menschlichen Gespräch ähnelte. Dies bewog mich zu dem Versuch, in die Maschine eine passende Membrane einzusetzen, welche die von meiner Stimme verursachten Schwingungen in ein geeignetes Material, das auf den Zylinder gelegt war, einstichelte. Das für den unmittelbaren Gebrauch gewählte Material war paraffiniertes Papier, und die damit erreichten Resultate waren vortrefflich. Die Eindrücke auf dem Zvlinder verursachten bei rascher Rotation eine Wiederholung der Originalschwingungen, wobei das Ohr durch die Schwingungen einer Membrane getroffen wurde, gerade so, als ob die Maschine selbst spräche. Sogleich erkannte ich, wie das Problem, die menschliche Stimme beliebig oft durch mechanische Mittel wiederzugeben, gelöst sei."

Abbildung 6. Edison an seinem Phonographen nach einem Holzschnitt aus dem JAhre 1878

Am 30. Juli 1877 meldete Edison (Abb. 6) seinen Phonographen zuerst in England zum Patent an. Am 10. August gab er den Auftrag, einen Apparat zu bauen und schon am 12. August sprach dieser Apparat zum ersten Male. Die Veröffentlichungen über die neue Erfindung erschienen jedoch erst im folgenden Jahr 1878. Nebenstehend sehen wir das Bild aus der frühsten Veröffentlichung, die am 30. März 1878 in "Harpers Weekly" in Amerika erschien (Abb. 7). Ende Mai hatte die "Illustrierte Zeitung" in Leipzig das in Abbildung 6 wiedergegebene Bild. Die Schriftleitung bemerkte dazu: "Die Nachrichten über die neue Erfindung fließen sehr spärlich, doch steht soviel fest, daß wir es nicht mit einer Schwindelei, sondern mit einer wissenschaftlichen Tatsache zu tun haben."

Abbildung 7. Die erste Veröffentlichung des Phonographen in einer Zeitschrift am 30. März 1878.

Wie man sich damals zu der Sprechmaschine einstellte zeigt ein Ereignis, dessen Berichte mir recht unglaubwürdig erschienen. Ich bin dem Falle aber bis in die Akten der Pariser Akademie der Wissenschaften hinein nachgegangen und ich konnte folgendes zuverlässig feststellen. Als der Vertreter von Edison am 11. März 1878 den Mitgliedern der Pariser Akademie der Wissenschaften den neuen Phonographen vorführte, sprang der Akademiker Jean Bouillaud durchdrungen von klassischer Bildung, voll Empörung über die Frechheit eines Neuerers, dem Vertreter von Edison an die Kehle und schrie: "Sie Schuft! Glauben Sie, wir lassen uns von einem Bauchredner zum besten halten?!" Noch am 30. September desselben Jahres gab Bouillaud nach eingehender Prüfung des Apparates die Erklärung ab, er sei überzeugt, daß es sich nur um eine geschickte Bauchrednerei handle. "Man könne noch unmöglich annehmen, daß ein schäbiges Metall den edlen Klang der menschlichen Stimme wiedergeben könne." In Rußland hatte der Phonograph gar das Mißfallen der Behörden gefunden. Als die erste Maschine öffentlich vorgeführt wurde, erstattete ein Offizier Anzeige über das Verhalten dieses "mechanisch sprechenden Tieres", und, da man sich mit der Wegnahme des Apparates nicht begnügen wollte, zog man den Aussteller vor Gericht, verurteilte ihn zu drei Monaten Gefängnis, einer schweren Geldbuße und zur Vernichtung des Apparates. Als der Vertreter Edisons mit dem Phonographen nach Berlin kam, wurde der Apparat dem damaligen Kronprinzen genau erklärt. Abends gab der Kronprinz der Hofgesellschaft mit diesem Apparat (Abb. 8) einen Vortrag.

Abbildung 8. Edisons sprechender Phonograph. Dies war der erste Apparat, der nach Deutschland kam. Man beachte das schwere Schwungrad, durch das der Gang der MAschine einigermaßen gleichmäßig werden sollte

Die Welt geht meist achtlos an neuen Erfindungen vorüber; erst nach Jahren oder Jahrzehnten nimmt sie von den meisten technischen Erfindungen Notiz. Nur ganz wenige Erfindungen erregen sofort Aufsehen. Zu diesen gehörte die Sprechmaschine von Edison. Die Tatsache, daß man die menschliche Stimme gewissermaßen auf Ewigkeit aufbewahren und vorführen konnte, interessierte jedermann. So kommt es, daß auch die Witzblätter bereits im Jahre 1878 Zukunftsbilder von der Sprechmaschine bringen (Abb. 9-12).
Ein Ehemann hatte sich "aus Spaß" eine Sprechmaschine im Schlafzimmer aufgestellt, um die "Gardinenpredigten seiner Frau zu sammeln". Jetzt, da er Witwer ist, sind sie sein "einziger Trost". Wenn er nicht schlafen kann, läßt er "eine der Reden ablaufen und findet Ruhe". (siehe Abb. )

Abbildung 9. Karikatur auf die Zukunft der Sprechmaschine aus einem deutschen Witzblatt von 1878.

Der Phonograph von Edison war eine schwere Maschine, die nur von einem geübten Fachmann bedient werden konnte. Die Walze war mit Stanniol belegt und deshalb waren die Eindrücke, die die Nabe in dem Stanniol gemacht hatte, schon nach wenigen Wiedergaben verwischt.
Ganz getrennt von Edison hätte sich in Paris ein vielseitiger Erfinder, Charles Cros, mit dem Gedanken beschäftigt, die menschliche Stimme durch die Schwingungen einer Nadel aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen laut wiederzugeben. Am 30. April 1877, also einige Monate vor den ersten Schritten von Edison zum Phonographen, hinterlegte Cros bei der Pariser Akademie der Wissenschaften einen versiegelten Umschlag, darin die Idee des Phonographen ganz selbständig entwickelt war. Zu seiner größten Überraschung hörte Cros von dem Patentgesuch Edisons inEngland. Deshalb entschloß er sich, den Umschlag am dritten Dezember 1871 öffnen zu lassen. Die Pariser Akademie besitzt noch heute diesen Umschlag. Im Jahre 1927 feierte man in Paris den Erfinder Cros, der fünfzig Jahre vorher schlecht angezogen bei der Akademie der Wissenschaften erschienen war. Man wollte ihn anfangs nicht vorlassen. Er trat mit den Worten ein: "Ich habe eine Maschine erfunden, die die Fähigkeit hat, die menschliche Stimme täuschend nachzuahmen, eine Maschine, die spricht". Der Sekretär der Akademie nahm diese Ankündigung mit einem längeren Lächeln auf und unterbrach Charles Cros, als dieser ihm in einem längeren Vortrage den Mechanismus erklären wollte.

Abbildung 10. Diese Karikatur erschien 1878 in einer englischen Zeitschrift. Die Drehorgel würde bald auf der Straße von der Sprechmaschine abgelöst werden.

Er nahm jedoch das versiegelte Kuvert, das den ersten Entwurf der Maschine aufbewahrte, entgegen. Als hinter dem jungen Manne die Tür zuklappte, wanderte das Kuvert wohl nicht in den Papierkorb, aber in die abgründigtiefe Schreibtischlade des Sekretariats und blieb dort liegen, bis eines Tages aus Amerika die Nachricht kam, Edison habe den Phonographen erfunden.
Der Franzose Cros hatte nicht das Geld, kostspieligeVersuche mit dem Phonographen zu machen. Edison, der bald hernach die elektrische Glühlampe erfunden hatte, hatte keine Zeit zu weiteren aussichtslosen Versuchen. Erst das Jahr 1881 brachte eine Wendung. Der bereits genannte Erfinder des Telephons, Alexander Graham Bell, hatte einen Preis von 50 000 Franken von der Pariser Akademie erhalten, und zwar als Volta-Preis für das Telephon. Dieses Kapital stellte Bell einer von ihm und einigen Freunden begründeten "Volta-Laboratoriums-Gesellschaft" zur Verfügung. Dieses Laboratorium untersuchte alle Ideen, Entdeckungen, Erfindungen, die sich auf die Tonwiedergabe bezogen. Die Hauptarbeit leisteten Chichester Bell, ein bedeutender Physiker, und Tainter, ein außerordentlich geschickter Techniker. Bald fand man, daß Stanniol eine ungeeignete Materie zur Aufnahme und zur Wiedergabe des Tones sei. Auch erkannte man, daß man nicht einzelne Eindrücke von Tönen machen durfte. Man konstruierte also einen Apparat, der eine fortlaufende Rille in ein weiches Material eingrub. Die einzelnen Töne bewirkten, daß diese Rille mehr oder weniger tief wurde. Eine wachsähnliche Masse erwies sich als zur Tonaufnahme besonders geeignet. So entstand im Jahre 1887 der Phonograph mit Wachswalze. Eine solche Wachswalze konnte man tausende Male spielen lassen, ehe sie versagte, aber die Wiedergabe war recht leise, und nach zwei Minuten war die Walze schon abgelaufen. Auch war die Walze beim Transport sehr empfindlich. Als Lautsprecher war der Phonograph von Edison ungeeignet, weil man mehr den Schatten eines Tones, als den Ton selbst, zu hören bekam.

Abbildung 11. Der Buchhändler wird durch die Neuerfindung der Sprechmaschine von einem Mann abgelöst, der alles Wissenswerte nur noch als Einlagen für Sprechmaschinen feilhält. Karikatur des Franzosen Robida aus dem Jahre 1883.

Abbildung 12. Ein anderes Spottbild von Robida aus dem gleichen Jahre. Man geht nicht mehr in die Schule um Sprachen zu lernen, sondern man läßt sich alles auf dem Wege des Fernunterrichts für die Sprechmaschine kommen. Ein solcher Apparat gibt nicht weniger als 4000 Unterrichtsstunden.

Abbildung 13. Emile Berliner und er erste von ihm erbaute Plattenapparat aus dem jahre 1888.

Gleichzeitig mit diesen Versuchen, aber vollkommen unabhängig davon, arbeitet zu Washington der aus Deutschland stammende Emile Berliner (Abb.13) an der Verbesserung des alten Stanniol-Phonographen. Statt des Zylinders von Edison nahm Berliner, der damals 36 Jahre alt war, eine Platte aus Metall, auf die ein Ätzgrund aus Wachs aufgetragen war. Der an der Membrane sitzende Schreibstift zeichnete die Töne in einer feinen, geschlängelten Spirallinie in das Wachs ein. Ein Strahl von Flüssigkeit spülte die abgekratzten Teile des Wachses ständig beiseite (Abbildung 15). In einer mühsamen und langwierigen Versuchsreihe gelang es Berliner nach Jahren erst, eine Platte herzustellen, die sich zuverlässig auf galvanoplastischem Wege vervielfältigen ließ. Unter Zuhilfenahme der Erfahrungen, die man mit elektrischen Isoliermaterialien gemacht hatte, kam Berliner im Jahre 1597 zu einem Plattenmaterial, das aus Harzen, Erden, Faserstoffen und Färbemitteln bestand und in dieser Zusammensetzung, allerdings mit wesentlichen Verbesserungen, noch heute zu Platten verwendet wird.

Abbildung 14. So sehen die ersten Plattenapparate aus, die 1889 in den Handel kamen.

Mit der Erfindung der Platten begann erst die Zeit der praktisch brauchbaren Sprechmaschinen (Abb. 14). Wie wenig man aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Platten erkannte, zeigt die Tatsache, daß in Deutschland die ersten Plattenapparate von einer Puppenfabrik zu Waltershausen in Thüringen hergestellt wurden. Dann kam eine Zeit, die es sich zur höchsten Aufgabe stellte, die Stimme beliebiger Personen auf Sprechplatten zu bannen. Man ahmte also gewissermaßen die Photographie phonographisch nach und rechnete mit der Eitelkeit der Menschen. Den großen Gedanken, gute Musik durch Platten zu verbreiten, hatte noch keiner erfaßt. Dem stand zunächst auch die primitive Ausführung der mechanischen Teile der Sprechmaschinen gegenüber. Viele Jahre lang mußten mühsam Erfahrungen gesammelt werden, ehe ein geräuschlos und gleichmäßig arbeitender, auch während des Aufziehens weiter laufender Antriebsmechanismus für die Platten zustande kam. Dann geriet die Sprechmaschine in die Hände von Leuten, die sie - das darf man heute offen aussprechen - kunstgewerblich verschandelten. Es entstanden jene monströsen, vielartig verzierten und schreiend buntbemalten Trichterapparate, die durch billigen Zierat über die konstruktive Hohlheit des Ganzen hinwegzutäuschen versuchten. Denken wir über jene Zeit um 1900 ehrlich, dann finden wir für die Industrie, die derartiges Zeug auf den Markt brachte, eine Entschuldigung: alle übrigen Industrien waren, verseucht von der schlechten Möbelindustrie, ebenso kitschig. Ein Künstler aber, der es damals gewagt hätte, im Dienst einer Fabrik zu stehen, um Sprechmaschinen zu entwerfen, wäre von allen Leuten, die etwas auf sich hielten, verachtet worden. Erst zu dem Zeitpunkt, da die Fabrikate so dürftig und bunt aussahen, wie Jahrmarktsware, und es tatsächlich nicht mehr tiefer hinabgehen konnte, suchte man auch für die Sprechmaschine, die inzwischen technisch außerordentlich verbessert worden war, nach neuen, zweckentsprechenden Formen.
In jener Zeit des Niederganges nannte man die Sprechmaschine treffend "Des Spießers Wunderhorn". Sie war ein Zeitvertreib für Philister, ein Musikinstrument für Vorstädter. Bestenfalls war sie in der Familie und in kleinen Wirtschaften ein billiger und laut lärmender Ersatz für eine Tanzkapelle. Dann kam eine Zeit, in der im Bau der Sprechmaschine die Frage "Holz oder Metall" mehr als nötig behandelt wurde. Man hätte aus der langen Geschichte der Musikinstrumente wissen können, daß diese Frage sich prinzipiell für ein Instrument, das gesprochene Worte, Sologesang, Chöre und alle Musikinstrumente wiederzugeben hat, nicht beantworten läßt. Als man Holz und Metall vergleichsweise untersuchte, kam man auf die Entdeckung, daß etwas anderes für den Bau guter Sprechmaschinen viel wichtiger ist, als die Wahl des Konstruktionsmaterials. Es ist die Länge der Luftsäule, die von der Tonführung eingeschlossen ist. Bei Orchesterstücken heben sich die einzelnen Instrumente klar von einander ab. Es würde zu weit führen, oder richtiger gesagt, es wäre zwar sehr interessant, aber nur in einem einigermaßen starken Buch auseinanderzusetzen, wie Schalldose und Nadel, Aufnahmeapparate und Triebwerk durch unzählige Verbesserungen zu dem kommen konnten, was sie heut in dem Musikapparat leisten. Manches Interessante wird der Leser aus den übrigen Kapiteln dieser Festschrift erfahren.

Abbildung 15. Der erste Aufnahmeapparat für Platten mit der orginellen Flüssigkeitsspülung 1888.